Juni 15, 2010
Wo die Zukunft liegt
Dieser Tage gehen sehr viele junge (deutsche) Menschen hinaus ins Leben. Ich hatte das Vergnügen einige von ihnen vor, während und nach den Abiturprüfungen zu sehen und zu sprechen. Dabei ist mir ungewöhnlich deutlich klar geworden, wie lange es her ist, dass ich dieses Gefühl hatte, die Welt läge vor mir, offen, um sie zu entdecken. Ein Satz aus der großartigen Stieg Larsson-Trilogie stieß mich noch zusätzlich darauf:
"In drei Monaten wurde sie 45, und die viel diskutierte >Zukunft< lag immer mehr hinter ihr" (Stieg Larsson, Verdammnis, Heyne, 157).
Nicht, dass ich schon ganz so alt wäre oder dass ich nicht mehr nachvollziehen könnte, wie sich die Bald-nicht-mehr-Schüler fühlen. Zudem habe ich nicht unbedingt alle Türen chronologisch geöffnet und hinter mir sorgfältig wieder geschlossen. Trotzdem wird es immer mehr zur Anstrengung, wieder nicht genau zu wissen, welche Klinke ich herunterdrücken sollte. Es wird andererseits auch immer mehr zur Genugtuung, zu wissen, dass viele Flure, die ich bereits entlang gelaufen bin, zu ähnlichen Zimmern führen.
Ich habe sozusagen bereits das richtige Gebäude und immerhin das richtige Stockwerk für mich erreicht, während die Abiturienten sich größtenteils noch auf dem Hof herumbalgen. Aber ich hatte ganz vergessen, wie leicht und frei und aufregend es war, dort zu stehen und mich umzusehen, nicht sicher, ob ich überhaupt in eines der Gebäude gehen würde. Allein das Zusehen hat schon Spaß gemacht und mir vor Augen geführt, wie wichtig es ist, gelegentlich einen Blick aus dem Fenster zu werfen.
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