Oktober 11, 2021

Nightmares as a Profound Bonding Experience

 


I have recently had the pleasure to read the stunning Testaments by the amazing Margaret Atwood. Among the many sage quotes that are reverberating in my soul is this one:

"I'm fully aware of how easily one can become fatigued by other people's nightmares .... When push comes to shove, only one's own nightmares are of any interest or significance." (142)

This is true in many ways, but it also reminds me of something our wonderful doctor once said: When your child pukes on you you are experiencing an exquisite moment of family bonding. You would never let anyone else do this, let alone forgive it so easily.

I believe nightmares also provide this element of bonding with your children and maybe even on a more profound level. One can safely say that most parents consider their children's nightmares highly significant. They listen and search them for a deeper meaning as no one else will ever do in adult life again.

Between friends there is an element of incomprehension when it comes to dreams: We can never fully fathom the psychological horizon framing another's imagination. Moreover, there is the aspect of indecency in the interpretation of someone else's fantasies. Especially nightmares could actually reveal much about ideas that we do not even consciously acknowledge ourselves. Friends might cross a border when they really try to understand what terrifies us at night. To strangers the context of these shadowy shapes is too unfathomable to be of interest. Even your spouse will never show a profound fascination with your bad dreams  or, should they actually do so, you would evaluate this as very weird behavior.

So, even though other adults might indeed be easily fatigued by your nighttime frights, between (young) children and parents there is an experience of shared significance – albeit on a different level. How astonishing that the most unpleasant experiences reveal the deepest attachments.


Source

Atwood, Margaret. The Testaments. London: Vintage, 2019.

Gender-Gerechtigkeit und die Impffrage: Bevorzugung von Männern oder Frauen in der Pandemie?

 


Kürzlich stolperte ich über zwei kluge Beiträge zur (zugegebenermaßen mittlerweile überholten) Frage, ob es gerecht sei, Männer bei den Impfungen gegen eine Covid-19 Erkrankung zu bevorzugen. Jens Jessen beleuchtet hellsichtig die historisch gewachsene Unmöglichkeit, Männern in unserem Kulturkreis ernsthaft Vulnerabilität zuzugestehen. Die Medizinethikerin Claudia Wiesemann gibt in einem Interview zu bedenken, dass durch eine Priorisierung bestimmter Alters- und Berufsgruppen (in denen Männer sowieso überdurchschnittlich vertreten seien) mit einer zusätzlichen Berücksichtigung des Geschlechts eine doppelte Bevorzugung entstehen könnte. Tatsächlich fürchte ich, dass noch eine weitere Überlagerung von Vorteilen für das männliche Geschlecht in der Pandemie für eine solche Überlegung berücksichtigt werden müsste.

Wie gesagt, die Frage ist nicht mehr aktuell, wer sich impfen lassen wollte (und konnte), hat eine Chance dazu bekommen. Männer wurden nicht bevorzugt behandelt und dies hat auch niemand ernsthaft vorgeschlagen. Wiesemann weist bei der Frage nach Gerechtigkeit auch darauf hin, dass in den westlichen Gesellschaften nach wie vor ein deutliches sozio-kulturelles Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern besteht, was bei derartigen Fragen nicht unbedacht bleiben sollte. Des Weiteren seien für die Impfüberlegungen andere Faktoren (z. B. das Alter) tatsächlich relevanter. Trotzdem hat sich in meinem Hinterkopf ein Gedanke dazu festgesetzt, den ich ausformulieren möchte. Denn mir scheint, dass bei einer Betrachtung der Gesamtsituation in der Pandemie zudem eine weitere Schieflage bestehen könnte, die eine Priorisierung des männlichen Geschlechts zusätzlich unfair gemacht hätte.

Jessen verweist rhetorisch auf die polemisch in der Presse aufgeworfene Frage, ob ein Männerleben weniger wert sei. Wenn es stimme, dass Männer häufiger am aktuellen Corona-Virus sterben, hätte man doch erwarten können, dass sie bei der Impfung bevorzugt behandelt würden, so die Argumentation, gegen die sich sein Artikel wendet  wobei er aufzeigt, dass man die Frage aus einer vielschichtigeren Perspektive beleuchten sollte. Auch die Medizinethikerin verweist im Interview auf Fehler in einer zu einfachen Betrachtung dieser Frage.

Wenn es aber tatsächlich zutrifft, dass Männer statistisch gesehen ein höheres Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf und einen durch die Infektion verursachten Tod haben (was auch Wiesemann im Interview grundsätzlich bestätigt), dann könnte man auch einen ganz anderen Standpunkt einnehmen. Der Lockdown mit all seinen Einschränkungen scheint Frauen sowie Kinder stärker belastet zu haben als Männer sei es z. B. durch die ungleiche Aufgabenverteilung im Alltag oder durch eine Zunahme an häuslicher Gewalt. So gesehen wäre es vertretbar anzumerken, dass der männliche Teil der Bevölkerung von allen einschränkenden Maßnahmen grundsätzlich mehr profitiert hat: Wenn sie das größere Risiko tragen, kommen ihnen Schutzmaßnahmen stärker zugute und scheinbar haben sie außerdem weniger am Lockdown gelitten. Daher könnte man auch argumentieren, dass jede weitere Bevorzugung von Männern in der Pandemie (sei es bei Impfungen oder anderen Infektionsschutzmaßnahmen) per se dieses Ungleichgewicht bezüglich der Gerechtigkeit verstärken würde.

Prinzipiell ist natürlich beiden Beiträgen zuzustimmen, dass diese Überlegungen vielschichtig sind und es auf mehr als eine polemische Zuspitzung der Geschlechterfrage ankommt, um eine ethisch vertretbare Handlungsrichtlinie zu bestimmen. Schon allein bei der Belastung von Familien durch den Lockdown tauchen Männer als Väter (und Söhne) ja ebenfalls auf der Seite der besonders Belasteten auf. Darüber hinaus zeigt sich auch in diesem Punkt die besondere Benachteiligung sozial schwacher Gesellschaftsmitglieder. Wenn man aber einfache statistische Zusammenhänge benennt, dann scheint mir die oben beschriebene Ungleichheit in dem, wie Männer und Frauen (sowie Kinder) vom Lockdown profitieren, durchaus erwähnenswert, auch wenn sie für eine differenzierte Beurteilung zu kurz greift.


Quellen

Jessen, Jens. "Zum Verschleiß bestimmt: Männer sind in größerer Gefahr, an Covid-19 zu sterben, als Frauen. Ihre >Vulnerabilität< ist also höher. Sollten sie deshalb bevorzugt geimpft werden?" Die Zeit (8) 18.2.2021 45.

Scholz, Anna-Lena. "In der Falle des Patriarchats: Wie ist es möglich, in einer Pandemie gerecht und solidarisch miteinander umzugehen? Ein Gespräch mit der Medizinethikerin Claudia Wiesemann." Die Zeit (8) 18.2.2021 46.